Frühkindliche Reflexe

Wir alle wissen, dass kein Kind dem anderen gleicht und in den ersten sechs Lebensjahren genügend Zeit  zur Verfügung hat, um die großen Entwicklungsschritte hin zur Schulreife zu bewältigen.
Wir lernen, wie wir unsere Kinder dabei begleiten und unterstützen, und unsere Erfahrung sagt uns, dass verfrühte Sorgen um mögliche Defizite und Probleme den uns anvertrauten Kindern nicht nützen.

Und doch fallen uns diese besonderen Kinder in der Kindergartengruppe, auf dem Spielplatz, in der Öffentlichkeit und der Familie auf, die von unseren Erziehungs- und Spiel- und Lernangeboten nicht genügend profitieren, die sich rätselhaft verhalten und in kein bekanntes Muster zu passen scheinen.

Ein paar Jahre später gehören dieselben Kinder überdurchschnittlich häufig zu jenem Drittel Erstklässler, die mit mangelnder Schulreife im System Schule zu kämpfen beginnen (http://www.inpp.ch/forschung.html).

Studien zeigen, dass diese kindlichen Lern-, Leistungs- und Verhaltensprobleme Unreifezeichen sein können, die aus nicht integrierten frühkindlichen Reflexmustern resultieren.

Was sind aber sind frühkindliche Reflexe und wozu dienen sie?

Dr. Harald Blomberg erklärt: „Primitive Reflexe sind automatische, stereotype, vom Stammhirn gesteuerte Bewegungen. Diese Reflexe steuern die motorischen Aktivitäten des Fötus und des Neugeborenen und müssen gehemmt und integriert werden, damit sich die Motorik des Kindes richtig entwickeln kann. Das Kind integriert die primitiven Reflexe, indem es rhythmische Bewegungen macht, die die Muster der verschiedenen Reflexe wiederholen.“

Werfen wir daher einen Blick auf diese biologischen Frühprogramme, die schon ein Embryo in der 5. Schwangerschaftswoche zeigt:

Im ersten Schwangerschaftstrimester entstehen die Anfänge eines ausgeklügelten sensomotorischen Trainingsprogramms, welches das Ungeborene mit einfachen, aber äußerst wirkungsvollen unwillkürlichen Bewegungsmustern ausstattet. Diese frühkindlichen oder primitiven Reflexe bereiten das Kind auf seine eigene Geburt und das Überleben in den ersten Lebenswochen vor.
Einfache Such-, Saug- und Schluck- und Greifautomatismen gehören ebenso dazu, wie die Wunderwerke der Zusammenarbeit von Gleichgewicht und Muskelspannung,  die komplexe Mororeaktion und viele andere mehr.

Bis in das vierte Lebensjahr eines jeden Kindes müssen diese Reflexautomatismen in ein altersgemäßes sensomotorisches und kognitives Repertoire integriert werden.
Dies gelingt bei der Mehrzahl der Kinder mühelos, bei annähernd einem Drittel der heutigen Kinderpopulation in Europa jedoch nicht.

Ungünstige Schwangerschafts- und Geburtsverläufe, möglicherweise Fehler beim Handling des Säuglings (beispielsweise fehlende Bauchlageentwicklung, übermäßiger Gebrauch von Assistenzsystemen), motorische Deprivation, wirtschaftliche und emotionelle Überlastung der Eltern, zunehmende Limitierung einer „artgerechten“ Kinderaufzucht und noch Vieles mehr tragen nach Ansicht von Fachleuten dazu bei, dass die vollständige Hemmung und Integration frühkindlicher Reflexe nicht mehr selbstverständlich ist.
Internationale Forschung interessiert sich in den letzten zehn Jahren verstärkt dafür, ob an Störungsbildern wie ASS, AD(H)S, Lern- und Teilleistungsstörungen nicht integrierte frühkindliche Reflexe beteiligt sind (http://www.inpp.ch/wissenschaft_fruehkindliche_reflexe.html).

In späteren Artikeln werden einige der frühkindlichen Reflexe und ihre Auswirkungen auf den Alltag der Kinder noch genauer vorgestellt.

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